Kein Stimmrechtsverbot bei bloßer wirtschaftlicher Verflechtung zwischen Mehrheitseigentümer und Verwalter

LG Hamburg, Urteil vom 02.02.2022 – 318 S 31/21 (nicht rechtskräftig)

Ist der Verwalter einer WEG zugleich Eigentümer, so steht ihm grundsätzlich auch ein Stimmrecht zu. Eine Ausnahme ist hiervon jedoch zu machen, wenn ein wichtiger Grund für seine Abberufung aus dem Verwalteramt und für eine (außerordentliche) Kündigung des Verwaltervertrags vorliegt (BGH, Urteil v. 19.09.2002 – V ZB 30/02).

Das LG Hamburg hatte in der Berufung über folgenden (verkürzt dargestellten) Sachverhalt zu entscheiden: In einer ETV wurde zu TOP 4 (Abberufung des Verwalters/außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrags) ein Negativbeschluss gefasst. Bei der ETV wurde die Mehrheitseigentümerin von der Verwaltung vertreten. Die Verwaltung war nicht selbst Eigentümerin. Die Mehrheitseigentümerin und die Verwaltung sind als selbstständige Gesellschaften jedoch über einen Mutterkonzern miteinander verbunden.

Das AG Hamburg-Blankenese gab der gegen die Beschlüsse gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Verwaltung einem Stimmverbot unterlegen hätte, da sie bei der Vertretung nicht weisungsgebunden gewesen sei und auch einem Stimmverbot unterlägen hätte, wenn sie selbst Eigentümerin gewesen wäre.

Die Entscheidung wurde vom LG Hamburg aufgehoben.

Der Beschluss ist rechtmäßig zustande gekommen.

Das LG hat hierzu im Wesentlichen folgende Aspekte herangezogen:

Kein Stimmverbot der Mehrheitseigentümerin

Das Stimmverbot gem. § 25 Abs. 5 WEG a.F. (inhaltsgleich § 25 Abs. 4 WEG n.F.) schränkt ein Kernrecht des Wohnungseigentums – die Mitbestimmung – ein und gilt daher nur ausnahmsweise und unter eng begrenzten Voraussetzungen. Es ist danach zu differenzieren, „ob der Schwerpunkt der Angelegenheit in der Verfolgung privater Sonderinteressen oder in der Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Interessen liegt“.

Allein die wirtschaftliche Verbundenheit zwischen der Mehrheitseigentümerin und der Verwaltung über eine Muttergesellschaft ist kein ausreichender Anhaltspunkt, dass der Schwerpunkt in der Verfolgung privater Sonderinteressen liegt.

Eine Majorisierung ist nur dann missbräuchlich, wenn weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gemeinschaft und damit die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung darstellen.

Kein Stimmverbot der Verwaltung als Vertreterin

Die Verwaltung war – anders als vom AG festgestellt – bei der Abstimmung weisungsgebunden. Daher unterlag sie keinem Stimmverbot.

„Grundsätzlich kann ein Nichtwohnungseigentümer einen Wohnungseigentümer dann nicht bei der Stimmabgabe wirksam vertreten, wenn er – wäre er selbst Wohnungseigentümer – einem Stimmverbot unterläge. Denn der Interessenkonflikt in der Person des Vertreters hat in dieser Konstellation den gleichen schädlichen Einfluss auf die Willensbildung wie bei einer Vertretung durch einen anderen Wohnungseigentümer, in dessen Person ein Stimmverbot vorliegt.“

Auf der Vollmacht war jedoch eine Stimmrechtsweisung enthalten, wodurch ein Interessenkonflikt nicht bestand.

Zusammenfassung:

In Anlehnung und unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 19.09.2002 – V ZB 30/02 legt das LG Hamburg die sprichwörtliche Latte für einen Stimmrechtsausschluss zu Recht hoch. Bei dem Stimmrecht handelt es sich um eines der bedeutsamsten Mitgliedschaftsrechte des Wohnungseigentümers. Eine Einschränkung dessen ist daher nur unter hohen Voraussetzungen möglich. Gleiches gilt insbesondere auch für einen kompletten Ausschluss eines einzelnen Eigentümers von einer ETV. Auch dies sollte immer nur eine ultima ratio Lösung sein.

Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte eine Entscheidung des BGH in der Sache erfolgen, werden wir hierüber berichten.

Veröffentlicht: 16. März 2022