Zum Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in einer Mehrhausanlage. Die Verwalterin hat die Jahresabrechnungen getrennt nach Häuserkomplexen vorgenommen. Mit Urteil vom 31. Juli 2019 stellte das AG die Nichtigkeit des Beschlusses über die Abrechnung fest, da keine Untergemeinschaften gebildet worden waren. Auf der Versammlung aller Wohnungseigentümer vom 28.11.2019 beschlossen die Wohnungseigentümer, dass in den Abrechnungen für die Jahre 2016 bis 2018 die Kostenzuordnung “wie bisher” erfolgen und eine neue Gesamtabrechnung in Form einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung erstellt werden solle. Der unter TOP 6.4 gestellte Antrag, die sofortige Abberufung der Verwalterin und die Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigen Gründen zum 31. Dezember 2019 zu beschließen, wurde abgelehnt.
Die Kläger fechten mit ihrer am 23. Dezember 2019 beim Gericht eingegangen Klage den Beschluss zu TOP 6.4 an und beantragen zudem, den abgelehnten Beschluss durch eine in das Ermessen des Gerichts zu stellende Entscheidung dahingehend zu ersetzen, dass die Abberufung des Verwalters und die Kündigung des Verwaltervertrags erfolge. Die Klage richtete sich gegen die übrigen Wohnungseigentümer. Die Klage war in den beiden Vorinstanzen erfolglos.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Abberufungsanspruch nur in Betracht käme, wenn für die Abberufung ein wichtiger Grund gem. § 26 Abs. 1 S. 3 u. 4 WEG aF vorliege und der Anspruchsteller die Abberufung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung von den für die Abberufung und Kündigung maßgebenden Tatsachen verlangt habe. Darüber hinaus müssten die Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über die Abberufung ihren Beurteilungsspielraum überschritten haben. Die gerügten Verhalten der Verwalterin aus den Jahren 2012 und 2018 könnten nicht mehr bei der Entscheidung berücksichtigt werden.
Zur Entscheidung:
Der BGH hat die vorigen Entscheidungen aufgehoben und die Sache mangels ausreichender Sachverhaltsaufklärung zurückverwiesen. Die Verneinung des Abberufungsanspruchs, die Abweisung der Anfechtungsanklage sowie die Abweisung der Klage auf Beschlussersetzung sei rechtsfehlerhaft.
Zunächst äußerte sich der BGH jedoch ausführlich zur Frage, ob die übrigen Wohnungseigentümer die richtigen Beklagten seien, wie folgt:
Für bis zum 30.11.2020 anhängig gewordene Beschlussersetzungsklagen gilt in analoger Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG weiter das bisherige Verfahrensrecht; insbesondere bleiben die übrigen Wohnungseigentümer die richtigen Klagegegner.
Inhaltlich entschied der BGH Folgendes:
Bei der Frage, ob ein Abberufungsanspruch der Kläger besteht, ist auf das neue Recht abzustellen. Im Rahmen der Beschlussersetzung ist rechtliche Beurteilungsgrundlage für die Prüfung, ob ein Anspruch auf Beschlussfassung besteht, das im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltende Recht.
Ein Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters besteht nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Die Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes führt zu keiner Änderung der Anspruchsvoraussetzungen.
Ob ein Abberufungsanspruch gegeben ist, hat der Tatrichter auch nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen sind, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung; allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen des Verwalters unbeachtlich sind, gibt es nicht.
Ob ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters ausgeschlossen sein kann, wenn er diese nicht zeitnah zu dem letzten Vorfall, auf den die Forderung nach Abberufung gestützt wird, verlangt, kann hier offenbleiben. Denn die Kläger haben ihre Forderung nach Abberufung der Verwalterin unter anderem auf die ihrer Auffassung nach unzureichende Umsetzung des Urteils im Vorprozess gestützt; nachdem dieses am 31. Juli 2019 ergangen ist, kann ein Abberufungsverlangen in der Eigentümerversammlung vom 28. November 2019 nicht verspätet sein.
Anders als die Beschlussersetzungsklage ist die Anfechtungsklage nach dem zur Zeit der Beschlussfassung geltenden Recht, mithin hier nach altem Recht zu beurteilen.
Fazit:
Für den Abberufungsanspruch eines Wohnungseigentümers kann auf die bisherige Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Bei der Frage, ob ein solcher Anspruch besteht, sind Pflichtverletzung des Verwalters nicht per se aufgrund einer längeren Dauer zwischen Pflichtverletzung und Anspruchsgeltendmachung unbedeutend.
Nicht verwechselt werden darf dies jedoch damit, dass der Verwalter durch Mehrheitsbeschluss jederzeit ohne Grund abberufen werden kann. Ein mit ihm geschlossener Verwaltervertrag endet in diesem Fall spätestens 6 Monate nach der Abberufung.