Zum Sachverhalt (leicht vereinfacht):
Die Klägerin ist Mitglied einer WEG und ficht die auf der ETV am 25.10.2021 gefassten Beschlüsse an. Die Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass sich Eigentümer auf einer Versammlung durch Ehepartner, andere Wohnungseigentümer und den Verwalter vertreten lassen können. Die Klägerin bevollmächtigte ihren Prozessvertreter mit der Teilnahme. Die Versammlung hat die Teilnahme des Prozessbevollmächtigten abgelehnt, sodass die Versammlung ohne eine Vertretung der Klägerin stattfand. Weder der Klägerin noch ihrem Ehemann war eine persönliche Teilnahme aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands möglich. Die Klägerin beruft sich darauf, dass die Regelung der Teilungserklärung für sie eine unbillige Härte darstellt, da zwischen ihrem verstorbenen Ehemann, ihr, der Gemeinschaft und der Verwaltung bereits diverse Rechtsstreitigkeiten stattgefunden haben, sodass nicht davon auszugehen war, dass andere Eigentümer oder der Verwalter ihre Interessen ernsthaft vertreten würden.
Zur Entscheidung:
Das Gericht hat die Beschlüsse für unwirksam erklärt.
Grundsätzlich ist es möglich, dass Wohnungseigentümer sich auf einer Versammlung vertreten lassen. Nach ganz herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist es möglich, dass die Wohnungseigentümer den Kreis der Vertreter durch Vereinbarung beschränken.
„In Ausnahmefällen ist es aber […] den Wohnungseigentümern nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die vereinbarte Vertretungsklausel zu berufen, nämlich dann, wenn die Vertretungsbeschränkung für den oder die betroffenen Eigentümer aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall nicht tragbar ist. Ein solcher Fall liegt hier vor.“
„Beide Eheleute waren nicht in der Lage, von der in der Gemeinschaftsordnung erlaubten Möglichkeit, den Ehepartner in die Versammlung zu schicken, Gebrauch zu machen. Die in der Gemeinschaftsordnung weiterhin vereinbarte Möglichkeit, sich durch einen anderen Wohnungseigentümer oder durch den Verwalter vertreten zu lassen, war den Klägern nicht zumutbar. Denn in einer willensbildenden Wohnungseigentümerversammlung haben die Kläger einen Anspruch darauf, auch argumentativ vertreten zu sein. Denn es ist aus verschiedenen Vorverfahren gleichen bzw. umgekehrten Rubrums gerichtsbekannt, dass die Rechtsauffassungen der Klägerin von denen der anderen Eigentümer abweichen und die Beeinflussung der Meinungsbildung durch einen andersdenkenden Eigentümer oder Verwalter wenig Erfolg versprochen hätte. Die Kläger waren daher berechtigt, ihren Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung in der Versammlung zu betrauen.“
Praxistipp:
Vor dem Verschicken jeder Einladung sollte in der Gemeinschaftsordnung nachgeschaut werden, ob es hier entsprechende Vertretungsregelungen gibt. Eine evtl. von der Verwaltung mit der Einladung verschickte Vollmacht sollte dementsprechend an die Regelungen der Gemeinschaftsordnung angepasst werden, um Diskussionen im Verlauf der Versammlung oder eine mögliche Beschlussanfechtung im Nachhinein zu vermeiden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, ob die Verwaltung als Vertreter zugelassen ist. Sieht die Gemeinschaftsordnung z.B. vor, dass lediglich eine Vertretung durch Ehepartner, andere Eigentümer und Kinder zulässig ist, ist eine Vertretung durch den Verwalter grundsätzlich ausgeschlossen (LG Hamburg BeckRS 2016, 110459). Weist die Verwaltung fehlerhaft auf eine Vertretungsmöglichkeit hin, lässt dementsprechend durch Gemeinschaftsordnung nicht vorgesehene Vertreter zu und erfolgt aufgrund dessen eine Beschlussanfechtung, kann ein Regress der Gemeinschaft in Hinblick auf die Prozesskosten möglich sein. Ein solches Haftungsrisiko lässt sich in den meisten Fällen leicht vermeiden. Sollte es sich wie im vorliegenden Fall um eine anspruchsvollere Konstellation handeln und ggf. bedeutende Beschlüsse gefasst werden, empfiehlt sich die vorherige Konsultation eines spezialisierten Rechtsanwalts, um möglichen Haftungsrisiken vorzubeugen.