Zum Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Beklagte ist ein Immobilienunternehmen, das das Grundstück im Jahr 2012 in Wohnungs- und Teileigentum aufteilte und die einzelnen Einheiten des Altbaus veräußerte. Im Folgenden stellte sich heraus, dass der Boden zum Teil mit Altlasten belastet war.
Die Wohnungseigentümer fassten mehrere Beschlüsse, die die gerichtliche Geltendmachung möglicher Ansprüche wegen der Altlasten im Innenhof und wegen der Altlasten in den straßenseitigen Vorgärten betrafen.
Mit der Klage beantragt die Klägerin im Wege der Leistungsklage volle und nicht quotenbeschränkte kaufrechtliche Nacherfüllung.
Neben weiteren Rechtsfragen insbesondere im Hinblick auf die Zulässigkeit hatte der BGH somit über die Frage zu entscheiden, ob die GdWE prozessführungsbefugt war.
Zur Entscheidung
Die GdWE ist – auch nach in Kraft treten des WEMoG – prozessführungsbefugt.
Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin folgt aus den in den Eigentümerversammlungen vom 22. Mai 2014 und vom 8. Oktober 2015 getroffenen Beschlüssen. Diese Beschlüsse begründen nicht nur auf der Grundlage des Wohnungseigentumsgesetzes in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung die Prozessführungsbefugnis der Klägerin. Vielmehr besteht diese auch nach der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretenen Neuregelung der Ausübungsbefugnis der GdWE in § 9a Abs. 2 WEG fort. Auf die Vergemeinschaftungsbeschlüsse kommt es an, da sich die Prozessführungsbefugnis entgegen der Hauptbegründung des Berufungsgerichts aus § 9a Abs. 2 WEG nicht herleiten lässt.
Zunächst geht der BGH ausführlich auf die bisherige Rechtslage zu Vergemeinschaftungsbeschlüssen ein. Ein Nachlesen der Entscheidung im Volltext ist daher empfehlenswert.
Im Weiteren geht der BGH ausführlich auf die nach Inkrafttreten des WEMoG erschienene Literatur ein, bevor er sich positioniert:
„Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gemäß § 9a Abs. 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann solche Rechte auch nach der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen; die Kompetenz für einen solchen Beschluss folgt aus § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Ob ein entsprechender Anspruch – wie hier – auf die kaufvertragliche Nachbesserungspflicht (§ 439 Abs. 1 BGB) gestützt wird oder sich aus dem Werkvertragsrecht ergibt, spielt hierfür keine Rolle.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestand bereits vor der Normierung der Ausübungsbefugnis in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aF durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl I S. 370) eine aus § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG aF abgeleitete Beschlusskompetenz, nach der die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte der Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss auf die dann allein zuständige GdWE übertragen werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 20 f. mwN). […]
Der Gesetzgeber hat die Ausübungsbefugnis erstmals in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG aF geregelt. […] Der gesetzlichen Regelung kam hinsichtlich der den einzelnen Erwerbern aus den jeweiligen Verträgen mit dem Veräußerer zustehenden Rechte auf ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums lediglich eine klarstellende Bedeutung zu. […] Der Senat hat dem dadurch Rechnung getragen, dass er die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zur Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche fortan nicht mehr allein auf die Verwaltungszuständigkeit der Gemeinschaft, sondern auf § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG aF gestützt hat (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 80/09, NJW 2010, 933 Rn. 7; Urteil vom 20. September 2019 – V ZR 258/18, ZfIR 2020, 98 Rn. 7 f.).
Die Neuregelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG hat die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer unberührt gelassen.
Die Vorschrift erfasst jedenfalls die primären Mängelrechte der Wohnungseigentümer nicht. Die Ansprüche ergeben sich nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum im Sinne von § 9a Abs. 2 Fall 1 WEG, sondern aus dem jeweiligen Erwerbsvertrag. Sie erfordern auch keine einheitliche Rechtsverfolgung nach § 9a Abs. 2 Fall 2 WEG. […]
Eine Vergemeinschaftung der auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche der Wohnungseigentümer wird durch § 9a Abs. 2 WEG andererseits auch nicht ausgeschlossen. […] Die Beschlusskompetenz der GdWE ergibt sich in der Sache unverändert aufgrund der Verwaltungsbefugnis für das gemeinschaftliche Eigentum (§ 18 Abs. 1 WEG) sowie der in § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG geregelten Pflicht zu dessen Erhaltung.