Das sog. Fugen-Urteil des BGH kennen wahrscheinlich einige, dennoch wollen wir es vorab noch einmal zusammenfassen:
In einem Wohngebäude entsteht ein Wasserschaden, weil Wasser durch eine undichte Silikonfuge im Bereich der Dusche austritt. Der Kläger verlangt Ersatz des entstandenen Schadens von der Wohngebäudeversicherung. In den Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen der Beklagten heißt es:
Ҥ 3 Leitungswasser
Es kam bei der Entscheidung somit darauf an, ob es sich um ein versichertes Ereignis in diesem Sinne handelte. Das Gericht hatte folglich die Versicherungsbedingungen auszulegen. Der BGH entschied, dass ein „durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs“ die Bedingungen so versteht, dass das Ereignis nicht versichert sei. Es handele sich nicht um einen Bruchschaden, sodass nur die Einordnung als Nässeschaden in Frage käme. Der BGH gelangte weiterhin zu der Erkenntnis, dass ein Versicherungsnehmer das durch die undichte Silikonfuge austretende Leistungswasser auch nicht als versichertes Ereignis im Sinne von § 3 Nr. 3 einordnen würde. Satz 2 konkretisiere das „bestimmungswidrige austretende Leistungswasser“ dahingehend, dass es aus einer in irgendeiner Art und Weise mit dem Rohrsystem in Verbindung stehenden Vorrichtung austreten muss. Die Silikonfuge, die die Duschwanne mit der (gefliesten) Wand verbinde, würde jedoch keine Verbindung zum Rohrsystem aufweisen. Andernfalls wäre jedwedes durch undichte Fugen austretende Leistungswasser von der Klausel umfasst, wenn die Dusche nicht über eine Duschwanne verfügen würde, sondern komplett bodentief gefliest sei. Dies widerspräche jedoch dem Gesamtzusammenhang.
Die Versicherung hatte somit nach Urteil des BGH nicht für den Schaden einzustehen; die Klage blieb erfolglos.
Das LG Frankfurt hatte sich einige Monate zuvor zwar nicht mit Versicherungsbedingungen und der Leistungspflicht der Versicherung zu beschäftigen, auch hier ging es jedoch um einen Wasserschaden und eine Versicherung:
Die Versicherung leistete der Wohnungseigentümergemeinschaft für einen nicht näher beschriebenen Leitungswasserschaden eine Entschädigung in Höhe von 13.950 €. Der Betrag entfiel zu 11.750 € auf Schäden im Bereich des Sondereigentums des klagenden Eigentümers und zu 2.250 € auf Schäden am Gemeinschaftseigentum. Der klagende Eigentümer verlangt von der beklagten Gemeinschaft Zahlung der 11.750 €. Die beklagte Gemeinschaft wendet ein, dass die Selbstbeteiligung in Höhe von 1.000 € nach dem Verhältnis der entstandenen Schäden zwischen dem Eigentümer und der Gemeinschaft aufzuteilen sei, dem Kläger somit nur ein Betrag in Höhe von ca. 10.900 € (11.750 € abzgl. anteiliger Selbstbeteiligung in Höhe von ca. 850 €) zustehe.
Dieser Ansicht folgte das LG als Berufungsgericht nicht und sprach dem Kläger den vollen Betrag zu. Das LG Frankfurt a. M. nimmt dabei Bezug auf ein Urteil des LG Karlsruhe ZWE 2019, 324: „Es überzeugt, dass der Selbstbehalt als Bestandteil der Prämie anzusehen ist, weil deren Höhe auch von der Vereinbarung eines Selbstbehalts abhängig ist. Da sämtliche Wohnungseigentümer von einer niedrigeren Prämie infolge eines Selbstbehalts profitieren, ergibt sich aus der zwischen der Gemeinschaft und den Wohnungseigentümern bestehenden Treuepflicht (vgl. Suilmann in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 10 Rn. 46) auch die Pflicht der Gemeinschaft, im Schadensfall den Selbstbehalt nicht dem einzelnen zufällig Geschädigten aufzubürden, sondern diesen zunächst als Verband zu übernehmen und anschließend im Rahmen der Jahresabrechnung auf alle Wohnungseigentümer nach den entsprechenden Kostenanteilen (in der Regel nach Miteigentumsanteilen, § 16 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 2 WEG) umzulegen. Auf ein Fehlverhalten der Wohnungseigentümer bei der Beschlussfassung über den Versicherungsvertrag kommt es – entgegen der zuerst genannten Ansicht (unter 1) – nicht an, da der Ausgleichsanspruch nicht auf einen verschuldensabhängigen Ersatzanspruch gestützt wird.“ (LG Karlsruhe, ZWE 2019, 324 Rn. 35-37).“
Zusammenfassung:
Bei der Frage, ob die Wohngebäudeversicherung für einen Leitungswasserschaden einzustehen hat, kommt es immer auf die konkreten Schadensumstände und Vertragsbedingungen an. Einige Versicherungen haben nach dem Urteil des BGH ihre Bedingungen angepasst, sodass auch die Konstellation, die dem Fall des BGH zu Grunde lag, als versichertes Ereignis angesehen wird. Andere Versicherungen leisten aus Kulanz Ersatz, wobei hierauf natürlich kein Anspruch besteht. Wiederum andere Versicherungen haben angekündigt, in solchen Fällen nicht zu leisten. Es kann sich also durchaus lohnen, bei der Versicherung nachzufragen und ggf. einen Versicherungswechsel in Erwägung zu ziehen.
In Anlehnung an das LG Frankfurt a. M. ist für den Fall, dass die Versicherung leistet, keine quotale Aufteilung des Selbstbehalts vorzunehmen. Dieser ist vielmehr in die Jahresabrechnung einzustellen.