LG Berlin, Beschluss vom 24.02.2022 – 65 S 202/21
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1) hat für ihren Bruder eine Wohnung angemietet, dem Vermieter diesen Umstand jedoch verschwiegen. Als der Vermieter erfuhr, dass nicht die Beklagte zu 1), also die Mieterin, sondern der Beklagte zu 2), ihr Bruder, die Wohnung ausschließlich bewohnte, kündigte er das Mietverhältnis gem. §§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB wegen unbefugter Gebrauchsüberlassung an Dritte.
Die Beklagten wenden ein, dass die Kündigung unwirksam sei, da gem. § 553 Abs. 1 S. 1 BGB ein Anspruch auf die Zustimmung zur Überlassung bestände.
Zur Entscheidung:
Dieser Argumentation ist das LG mit folgenden Erwägungen nicht gefolgt.
Die Gebrauchsüberlassung erfasst nicht nur eine Weiter- oder Untervermietung, sondern jede Überlassung. Es ist unerheblich, ob der vollständige Besitz gewährt oder lediglich eine Mitbenutzung eingeräumt wird.
Eine Gebrauchsüberlassung an Dritte bedarf in jedem Fall der Erlaubnis des Vermieters, § 540 Abs. 1 S. 1 BGB.
Ein Anspruch aus § 553 Abs. 1 S. 1 BGB auf Zustimmung zur Gebrauchsüberlassung von Wohnraum besteht nur
- wenn lediglich ein Teil des Wohnraums überlassen wird,
- das berechtigte Interesse des Mieters an der Überlassung erst nach Abschluss des Mietvertrags entsteht und
- kein Ausschluss gem. § 553 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt scheitert ein Anspruch bereits daran, dass die ganze Wohnung überlassen wurde und dass die Anmietung bereits aus dem Zweck der Überlassung erfolgte, das Interesse also nicht erst nach Vertragsschluss entstand.
Es handelt sich auch noch um eine teilweise Überlassung des Wohnraums, wenn der Großteil einem Dritten überlassen wird und der Mieter bspw. lediglich ein Zimmer weiterhin nutzt, um dort sein Mobiliar einzulagern. Dies setzt eine zeitliche Begrenzung der Überlassung und eine Rückkehrabsicht des Mieters in die Mietwohnung voraus (vgl. BGH v. 11.06.2014 – VIII ZR 349/13). Typische Fälle hierfür sind Auslandssemester oder ein vorübergehender beruflich bedingter Aufenthalt an einem anderen Ort.
Weiterhin stellt das Gericht darauf ab, dass die Mieterin mit ihrem Mann und ihren Kindern eine Wohnung in der gleichen Stadt bewohnt und aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes daher kein berechtigtes Interesse bestünde, einen zweiten Wohnsitz in der gleichen Stadt innezuhaben. Ob diese Erwägung durchgreifend ist, ist jedoch zweifelhaft. Zwar wird eine zweite Wohnung in der gleichen Stadt wohl bei Frage nach dem berechtigten Interesse Berücksichtigung finden müssen. Ob ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt, dürfte jedoch unerheblich sein. Bereits für den Fall einer Eigenbedarfskündigung hat der BGH entschieden, dass der Wohnbedarf eines Eigentümers grundsätzlich nicht von den Gerichten zu beurteilen sei (BGH v. 04.03.2015 – VIII ZR 166/14). Auf das Interesse des Mieters an der Gebrauchsüberlassung dürfte ein angespannter Wohnungsmarkt ebenfalls keine Auswirkungen haben.