BGH, Urteil v. 18.05.2022 – VIII ZR 9/22
Zum Sachverhalt:
Die Klägerin, eine GmbH, die über eine Registrierung gem. § 10 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) für den Bereich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht der Mieter einer Wohnung der beklagten Vermieterin Ansprüche wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Begrenzung der Miethöhe (§ 556d BGB in Verbindung mit der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015, in Kraft getreten am 1. Juni 2015) (sog. Mietpreisbremse, nicht zu verwechseln mit dem sog. Mietendeckel, der vom BVerfG im April 2021 für verfassungswidrig erklärt wurde) geltend.
Zwischen der Beklagten und den Mietern besteht seit dem 1. Mai 2019 ein Mietverhältnis. In einer Anlage zum Mietvertrag heißt es: „Bei dem Abschluss dieses Mietvertrages handelt es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Mietsache“.
Neben tiefgreifenden Fragen der Aktivlegitimation der Inkasso-GmbH, also der Berechtigung, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, setzt sich der BGH mit einer Reihe prozessrechtlicher Fragen auseinander, welche hier nicht weiter erörtert werden sollen. Gegenstand dieser Besprechung soll lediglich sein, ob der im Mietvertrag enthaltene Hinweis den Anforderungen an eine Auskunft über die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung (§§ 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4, Abs. 4, 556f S. 2 BGB) genügt und ob die Vermieterin darüber hinaus nach Verlangen des Mieters (§ 556g Abs. 3 S. 1 BGB) auch Auskunft über die Vormiete (§§ 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 1, 556e Abs. 1 BGB) erteilen muss.
Weiterhin stellte sich dem BGH die Frage, ob der Hinweis über die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung auch den Anforderungen eines Hinweises über in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführte Modernisierungsmaßnahmen nach §§ 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 2, 556e Abs. 2 BGB genügt. Dies wäre für den Fall relevant, dass tatsächlich keine umfassende Modernisierung i.S.d. § 556f S. 2 BGB vorlag, da die Vermieterin sich dann gem. § 556e Abs. 2 BGB auf eine höhere Miete berufen könnte.
Zur Entscheidung:
Nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 BGB ist der Vermieter, soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556f Satz 2 BGB beruht, verpflichtet, dem Mieter vor der Abgabe von dessen Vertragserklärung unaufgefordert (in Textform, § 556g Abs. 4 BGB) Auskunft darüber zu erteilen, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt. Die Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsanpassungsgesetz sehen ausdrücklich vor, dass der Vermieter nach der Bestimmung des § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 BGB (ebenso wie nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 BGB) nicht gehalten ist, bereits vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters über Umfang und Details der Modernisierung Auskunft zu erteilen, sondern zunächst nur über das “Ob” einer solchen umfassenden Modernisierung. Es obliegt vielmehr anschließend dem Mieter, gegebenenfalls mittels eines Auskunftsverlangens nach § 556g Abs. 3 BGB weitere Einzelheiten und Nachweise zu erfragen, wenn er an der Richtigkeit der Auskunft zweifelt (so BT-Drucks. 19/4672, S. 28). Vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters ist es daher ausreichend, wenn der Vermieter mitteilt, es handele sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung. Dem hat die Beklagte nach den hier getroffenen erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, Rechnung getragen.
Die Auskunft nach §§ 556g Abs. 1a S. 1 Nr. 4, 556f S. 2 BGB (Auskunft über die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung) beinhaltet zugleich auch die Auskunft darüber, dass in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen wurden. Ein Vermieter kann sich in dem Fall, dass sich herausstellt, dass keine umfassende Modernisierung gem. § 556f S. 2 BGB vorlag, also auch auf eine höhere Miete gem. § 556e Abs. 2 BGB berufen.
Das Tatbestandserfordernis des § 556g Abs. 3 Satz 1 BGB, wonach die begehrte Auskunft für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete “maßgeblich” sein muss, ist darauf ausgerichtet, dass der Vermieter nur über solche Tatsachen Auskunft zu erteilen hat, die nach dem Gesetz die Höhe der zulässigen Miete (abstrakt gesehen) beeinflussen. Der dort vorgesehene Auskunftsanspruch soll es dem Mieter ermöglichen, “die Berechtigung der vereinbarten Miete zu prüfen”, und soll die “preisbildenden Tatsachen” sowie diejenigen Umstände umfassen, die der Mieter “zur Feststellung der ortsüblichen Miete oder eines Sondertatbestands (§§ 556e, 556f BGB-E)” benötigt (Senatsurteil vom 23. März 2022 – VIII ZR 133/20, juris Rn. 34 mwN). Hierzu gehört bei einem – wie hier – umfassend gehaltenen Rügeschreiben und Auskunftsverlangen auch die Höhe der Vormiete, die der Vermieter mangels Angabe vor Vertragsschluss zwar nicht sofort einwenden, wohl aber nach Nachholung dieser Information mit zeitlicher Verzögerung geltend machen kann.
Anmerkung:
Die Anforderungen an eine Auskunft gegenüber dem Mieter vor Abgabe dessen Vertragserklärung in Bezug auf durchgeführte Modernisierungen sind damit nicht sehr hoch. Das bezieht sich allerdings nur auf die Auskunft VOR Abgabe der Vertragserklärung durch den Mieter. Die Anforderungen an eine Auskunft auf ein Auskunftsverlangen des Mieters sind ungleich höher. Gerade aufgrund der großen Anzahl von Inkassodienstleistern sollten solche Auskunftsverlangen des Mieters nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da sonst schnell unnötige Kosten auf den Vermieter zukommen können.